Carlo Goldoni
Gemälde von A. Longhi
Carlo Goldoni wurde am 25. Februar 1707 in Venedig als Sohn des Arztes Giulio Goldoni und dessen Ehefrau Margherita geboren. Bereits mit 14 Jahren schloss er sich einer Schauspieltruppe an. Nach einer Schulausbildung bei den Jesuiten in Perugia und den Dominikanern in Rimini studierte er in Padua und Modena Jus und Theologie. Seine ersten beruflichen Erfahrungen sammelte Carlo Goldoni 1728 bis 1730 als Sekretär des Vizekanzlers des Kriminalgerichts zuerst in Chioggia, dann in Feltre. Nebenbei versuchte er sich als Schauspieler in der von ihm zur Aufführung ohne Musik eingerichteten Oper "Didone e Siroe" von Pietro Metastasio (1698 - 1782) und schrieb die beiden Lustspiele "II buon padre" und "La cantatrice". 1731, im Todesjahr seines Vaters, promovierte Carlo Goldoni in Padua und ließ sich als Advokat in seiner Heimatstadt Venedig nieder. Angeblich um nach einer Liebesaffäre einer unerwünschten Heirat zu entgehen, flüchtete Carlo Goldoni 1733 aus Venedig. Als Sekretär des venezianischen Gesandten in Mailand begegnete er Giuseppe Immer, dem Leiter des Theaters San Samuele in Venedig. 1734 ließ er sich von dem bedeutendsten Opernhaus in Venedig verpflichten, dem Theater San Giovanni Crisosthomo. Zwei Jahre später heiratete er Nicoletta Cannio, die Tochter eines Notars in Genua.
Der Konflikt zwischen seiner Leidenschaft für das Theater und der Notwendigkeit des Broterwerbs machte Carlo Goldoni schwer zu schaffen. 1745 bis 1747 arbeitete er als Anwalt in Pisa. Ab 1748 schrieb er als Hausdichter des Teatro St. Angelo unter anderem die Komödie "Il servitore di due patroni" ("Der Diener zweier Herren"), die 1746 in Mailand uraufgeführt wurde. 1753 wechselte Carlo Goldoni als Bühnenautor zum Teatro San Luca. 1762 ging er nach Paris und feierte als Theaterdirektor am französischen Hof mit seiner 1771 uraufgeführten Komödie "Le bourru bienfaisant" ("Der herzensgute Unwirsch", "Der gutherzige Polterer") noch einmal einen großen Erfolg. König Ludwig XV. ernannte Carlo Goldoni 1764 zum italienischen Sprachlehrer seiner Töchter, und später unterrichtete Carlo Goldoni eine Schwester König Ludwigs XVI. Damit hätte er finanziell ausgesorgt gehabt, wenn ihn nicht die Französische Revolution dieser Einnahmequelle beraubt hätte. Verarmt und erblindet starb er am 6. Februar 1793 in Paris – genau an dem Tag, an dem ihm der Konvent die von 1768 bis 1792 gezahlte Jahrespension wieder zusprach.
Carlo Goldoni gilt als bedeutender Reformator der italienischen Komödie. Schon früh verfolgte er die Idee, die völlig erstarrte "Commedia dell` arte" mit ihren streng typisierten Figuren zu überwinden. Er verbannte die typischen Masken und auch die Improvisation von der Bühne und schrieb Charakterkomödien nach dem Vorbild Molières. Diese Neuerungen riefen viele Gegner auf den Plan, allen voran Carlo Gozzi, der die Stegreifkomödie vehement verteidigte und Goldoni so stark zusetzte, dass dieser trotz seines großen Erfolgs Venedig verließ. Er schrieb nach eigenen Angaben an die hundertfünfzig Theaterstücke und Opernlibretti (letztere unter dem Pseudonym Polisseno Fegejo).
u.a.
Der Diener zweier Herren – 1745 Der Lügner - 1750 Das Kaffeehaus – 1750 Mirandolina - 1751 Der Fächer - 1765
Inhalt Lelio Bisognosi, kehrt nach 20 Jahren wieder in seine Heimat zurück. Berauscht von seiner Heimatstadt, entdeckt er - auf einem Balkon stehend – Rosaura und Beatrice, die schönen Töchter des Dottore Balanzoni. Prompt gibt er sich als Urheber und Auftraggeber des Ständchens aus, das der schüchterne Verehrer Rosauras, Florindo, insgeheim seiner Geliebten bringen lässt. Lelio trifft schließlich seinen Jugendfreund Ottavio, vor dem er ahnungslos damit prahlt, den beiden Mädchen einen nächtlichen Besuch abgestattet zu haben. Was Lelio nicht weiß: Ottavio ist der Liebhaber Beatrices! Das ist der Beginn eines endlosen Verwirrspiels. Zunächst werden die Töchter des Dottore der Unzüchtigkeit und Sittenlosigkeit bezichtigt, dann muss sich Ottavio den Vorwurf machen lassen, ein Lügner zu sein. Schließlich verstrickt sich Lelio selbst hoffnungslos in seine Lügengeschichten. Er erfindet eine Braut, die von ihm ein Kind erwartet, nur um nicht das Mädchen heiraten zu müssen, das ihm sein Vater Pantalone zugedacht hat. Lelio will Rosaura haben. Was er wiederum nicht weiß: Pantalone wollte ihn mit eben jener Rosaura vermählen. Tja, Lügen haben kurze Beine.....
Wer einmal lügt... Von Eitelkeit und Selbstgefälligkeit getrieben will er ständig im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Er schwindelt und lügt, betrügt und hintergeht, er intrigiert und schmückt sich mit fremden Federn, indem er Ideen und Taten anderer als seine eigenen ausgibt. Durch seinen Charme verführt er die Weiblichkeit und verwirrt die Männerwelt. Er gibt sich freundlich, ehrlich und umgänglich. Und er beschönigt sein opportunistisches Verhalten als geistreiche Erfindungen seiner Schlagfertigkeit. Die Rede ist von Lelio Bisognosi, dem Sohn des venezianischen Kaufmannes Pantalone. Wir befinden uns im Venedig des 18. Jahrhunderts. Goldoni gestattet uns einerseits einen Einblick in die venezianische Gesellschaft seiner Zeit und nimmt andererseits – gemäß seiner Vorliebe – die zeitlosen, menschlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten komödiantisch aufs Korn. Zwar erinnern die beiden Komödien DER DIENER ZWEIER HERREN und DER LÜGNER noch an die klassische Commedia dell` arte. Dennoch sind die Ansätze von einer Charakterkomödie bereits erkennbar. Die Texte sind festgeschrieben und lassen in ihrer dramaturgischen Dichte keinen Raum mehr für Improvisation. Wirken die ungeschickten Ränkespiele eines Arlecchino im DIENER ZWEIER HERREN noch lustig und sympathisch, so scheinen die Intrigen und Machenschaften des LÜGNER Lelio hinterhältig und skrupellos zu sein. Was er tut, ist zwar nicht ímmer Absicht, dennoch hat er die Unschuld eines Arlecchino verloren und er wird zur Studie einer Charaktereigenschaft. Und die traditionellen Figuren der Commedia dell` arte erfahren eine immer stärker werdende Wandlung von Typen zu Charakteren. Die Alten – Pantalone und Dottore – legen im LÜGNER ihre senile Vertrotteltheit, die sie noch im DIENER ZWEIER HERREN demonstrieren, ab und erweisen sich als teils vernünftige, aber berechnende Patriarchen. Die einst bauernschlauen Diener – Brighella und Arlecchino – früher unbedingt Identifikationsfiguren, weil sie mit Witz und Hausverstand ihre dumpfen Herren übertölpelt haben, zeigen sich als eher zurückhaltende, angepasste Mitläufer. Ihr Aufbegehren hält sich in Grenzen. Sie wirken bestechlich und korrumpierbar. Colombina – die Vorläuferin jeder emanzipierten Frauenrolle – verliert ein wenig an ihrer frischen, frechen Unbekümmertheit durch ihren ausgeprägten Heiratswillen, ohne aber die Oberhand über die Männerwelt einzubüßen. Nur die Gockelhaftigkeit der Liebhaber und die Leichtgläubigkeit der heiratswütigen, jungen Frauen überleben diesen Wandel. Mag sein, dass Goldoni mit seiner „Erneuerung“ der italienischen Commedia auf die Veränderung in der Gesellschaft seiner Zeit eingeht. Mit Sicherheit aber nimmt er der traditionellen Commedia dell` arte die drastische Überhöhung zu Gunsten einer genaueren menschlichen und charakterlichen Darstellung und einer schärferen, wie auch zeitloseren Gesellschaftskritik.
Musik: Helmut STROBL Bühne: Peter W. HOCHEGGER Kostüme: Gabriele WENINGER Regieassistenz: Michaela MAHRHAUSER Regie: Peter W. HOCHEGGER |